Jahresvortrag

Enzo Traverso - Linke Melancholie: eine verborgene Tradition

24. Oktober | 18:00

Jahresvortrag

Mit Enzo Traverso, Professor in Politikwissenschaft (Université Paris 8, EHESS), seit 2013 Professor an der Cornell University (State of New York, USA)

Zwei Jahrhunderte lang war linke – anarchistische, sozialistische, kommunistische – Kultur von einer spezifischen Erinnerungsagenda geprägt: Ausgewählte emanzipatorische Erfahrungen der Vergangenheit wurden für die Zukunft mobilisiert. Doch vor nunmehr fast 30 Jahren hat das Ende des Realsozialismus diese Dialektik zwischen Vergangenheit und Zukunft aufgebrochen; und das Ende der Utopien, das in unserer „präsentistischen“ Zeitlichkeit liegt, hat diese linke Erinnerungskultur beinahe ausgelöscht. Die dialektische Spannung zwischen Vergangenheit als „Erfahrungsraum“ und Zukunft als „Erwartungshorizont“ (Koselleck) ist zu einer Art negativen, verstümmelten Dialektik geworden. In diesem Kontext tritt eine melancholische Sicht auf Geschichte als Gedenken an die Besiegten – eine „verborgene Tradition“ der Linken – wieder in Erscheinung. Ihr wichtigster Vertreter ist sicherlich Walter Benjamin, doch wird sie von einer weitläufigen Konstellation von Autoren getragen, die von Auguste Blanqui zu Rosa Luxemburg, von Lucien Goldmann zu Daniel Bensaïd reicht. Ihre Erzeugnisse sind nicht allein textueller, sondern auch ästhetischer Natur, denn ihren vollendeten Ausdruck finden sie in der Malerei und im Film. Diese weder passive noch resignierte linke Melancholie zeichnet das Bild einer Trauerarbeit, die das kritische Denken inspirieren und bereichern kann.

Kommentar: Hon.-Prof. Dr. Frieder Otto Wolf (FU Berlin)

Veranstaltung auf französisch mit simultaner Übersetzung ins Deutsche.

Eintritt frei.

Anmeldung per Mail an garrido@cmb.hu-berlin.de.

Kontakt

Catherine Gousseff
Catherine.Gousseff  ( at )  cmb.hu-berlin.de

Ort

Germaine-Tillion-Saal
Centre Marc Bloch
Friedrichstrasse 191
10117 Berlin