Leben am Centre

Porträt: Denis Eckert – Abgesehen davon erstelle ich sehr gern Karten

19. April 

Im Rahmen des Dossiers "Geografie und Raum" der aktuellen Newsletter wurde der Geograf Denis Eckert porträtiert.

Denis Eckerts hervorstechendes Merkmal ist, abgesehen von seiner schwarzen, rechteckigen Brille, seine Faszination für Karten. Wobei es hier nicht darum geht, alte Stereotype über Geografen aufzuwärmen. Wenn Denis sich über seinen kleinen Laptop oder über ein Buch beugt und eine Karte betrachte, verschwindet sein schelmisches Lächeln und er wird ernst. In der letzten Zeit vertieft er sich vor allem in Karten der Ukraine oder der ehemaligen Sowjetunion. Mit seinem neuesten Forschungsprojekt kehrt er in diese Region zurück, mit der er sich bereits in den 1990er Jahren beschäftigt hatte. Seit seiner Ankunft am Centre Marc Bloch im Sommer 2016, im Anschluss an mehrere Jahre als Leiter des Forschungszentrums LISST in Toulouse sowie einer Abteilung des CNRS für Evaluation und Personalwesen, widmet sich der Forschungsdirektor am CNRS nun ganz der Wissenschaft. Er interessiert sich insbesondere für die von einer bewegten Geschichte gezeichneten Grenzen der Ukraine, die in einigen Abschnitten deutlich die Außengrenze der EU bezeichnen, während andere unklar bzw. seit neuestem umstrittene Grenzregionen bleiben. Die Vielgestaltigkeit des ukrainischen Grenzsystems, das bisher nur in Teilen, nie aber in seiner Gesamtheit Gegenstand der Forschung war, hat Denis veranlasst, die Karte auf Seite *** zu erstellen. Die Grenzen reflektieren die holprige Geschichte der ukrainischen Staatsbildung, aber auch die Infragestellung der Legitimität und Souveränität dieses Staates in den letzten Jahren.

In einem anderen Forschungsprojekt beschäftigt sich Denis ebenfalls mit der Legitimität der ukrainischen Staatsgrenzen. Voller Elan zeigt er die Karten eines Ukraine-Atlas von 1937 und blättert in seinem Geschichtsatlas der Ukraine von 2015, den er kürzlich erworben hat. Denis sammelt offizielle Karten zu den ethnischen Bevölkerungsgruppen in der und um die Ukraine herum. Diese ideologisch gefärbten Projekte mit wissenschaftlichem Anspruch verwenden insbesondere statistische Daten, um die ethnische Bevölkerungsstruktur der Ukraine und damit der Regionen aufzuzeigen, die legitimer Teil des ukrainischen Staates sind. Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist die regionale Bevölkerung Gegenstand von Volkszählungen und Kategorisierungen nach ethnischen Kriterien. Nichtsdestotrotz wurden die Befragten nicht nach ihrer ethnischen Zugehörigkeit, sondern zu ihrer Religion und Muttersprache konsultiert. Auf dieser Grundlage schloss man anschließend auf die ethnische Zugehörigkeit. Denis plant außerdem eine Studie zur Mobilität ukrainischer Studierender heute. Für dieses neue Projekt wird er Interviews mit ukrainischen Studierenden an polnischen und deutschen Universitäten führen, um sowohl ihren sozialen und geographischen Werdegang, als auch die Mobilität unter ihren Familienmitgliedern zu untersuchen. „Abgesehen davon, erstelle ich sehr gern Karten“, fügt er am Ende des Gesprächs lächelnd hinzu. Zwölf Jahre lang leitete er M@ppemonde, eine auf geografische Karten und Bilder spezialisierte Zeitschrift. Am Centre hat er, gemeinsam mit Béatrice von Hirschhausen, die Kartografie-Werkstatt gegründet, wo er seine Begeisterung für Karten mit Teilnehmern aus Fachgebieten jenseits der Geografie teilt. Über diese zahlreichen Projekte hinaus hat Denis sich ins Ukrainische gestürzt und bemüht sich seit einem Jahr, mithilfe eines Sprachkurses am Centre sowie der App Duolingo und der ASSIMIL-Methode, polnische und russische Überbleibsel in seinen ukrainischen Sätzen auszumerzen. Auch das sagt viel über den ukrainischen Staatsbildungsprozess.

Text: Irina Mützelburg


Kontakt:

Denis Eckert
eckert  ( at )  cmb.hu-berlin.de