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Rezension: Sarah Mazouz, La République et ses autres

14. November 

Wie geht ein Staat, der sich auf das republikanische Ideal des Universalismus beruft, mit rassischer Diskriminierung innerhalb seiner Gesellschaft um? Wie kann Ungleichbehandlung aufgrund von Herkunft, Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit in einer Nation sichtbar und „sagbar“ gemacht werden, die sich bewusst blind gegenüber diesen Differenzen positioniert? Mit diesem Paradox beschäftigt sich die Soziologin Sarah Mazouz in ihrem Buch La République et ses autres (ENS Éditions 2017), das den staatlichen Umgang mit Alterität im Frankreich der 2000er-Jahre untersucht. Dabei werden sowohl die „inneren Grenzen“ innerhalb der französischen Staatsbürgergemeinschaft als auch die „äußeren Grenzen“ zwischen Staatsangehörigen und Nicht-Staatsangehörigen in den Blick genommen, die sich in den Diskursen und Praktiken der staatlichen Akteure manifestieren. Anhand von ethnographischer Feldforschung in einer Antidiskriminierungsbehörde und einer Einbürgerungsbehörde einer großen Stadt in der Nähe von Paris zeigt die Autorin, wie sowohl eingebürgerte als auch in Frankreich geborene Franzosen und Französinnen mit Migrationshintergrund als ethnisch „Andere“ wahrgenommen und stigmatisiert werden. Vor dem Hintergrund des republikanischen Gleichheitsideals bleiben diese Ungleichbehandlungen jedoch meist unausgesprochen und unsichtbar, sodass eine wirkungsvolle staatliche Antidiskriminierungspolitik verhindert wird.
Über die spannende inhaltliche Untersuchung hinaus zeichnet sich das Buch vor allem durch seinen innovativen ethnographischen Ansatz aus: Die Autorin erfasst Mechanismen der Zuschreibung von Identitäten als beobachtende Teilnehmerin, also quasi „von innen“ heraus, wobei sie systematisch auch ihre eigene Rolle im Feld in die Analyse mit einbezieht. Bei ihrer Feldforschung in der Einbürgerungsbehörde beschränkt sie sich beispielsweise nicht auf die Sichtweise der BeamtInnen, sondern beleuchtet auch ihre persönliche Einbürgerungserfahrung sowie die Perspektive anderer Eingebürgerter. Durch diese Mehrfach-Positionierung gelingt es ihr, die Subtilitäten von rassischen bzw. ethno-kulturellen Zuschreibungen sowie die damit einhergehenden Machtverhältnisse zu erfassen und kritisch zu hinterfragen.
Insgesamt ist der Autorin ein großartiger Beitrag zur Forschung im Bereich von Migration, Alterität und nationaler Zugehörigkeit gelungen. Vor dem Hintergrund aktueller Debatten in Medien und Politik rund um das Thema Einbürgerung und „DoppelstaatlerInnen“ scheint es umso wichtiger, die Prozesse der Exklusion und Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund auch grenzübergreifend – gerade auch im Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich -  zu beleuchten. Insofern dürfen wir gespannt auf die Ergebnisse von Sarah Mazouz’ neustem Forschungsprojekt „TransforNation“ sein, in dem sie sich mit doppelter Staatsangehörigkeit in Deutschland beschäftigt.

Gesine Wallem


Kontakt:

Sarah Mazouz
mazouz  ( at )  cmb.hu-berlin.de