Das Projekt

Beispiel einer Phantomgrenze: Postkommunistische Wahlgeographie

Auf der Wahlkarte zur ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Polen aus dem Jahr 2010 (siehe rechts oben) sind stark regional divergierende Wahlergebnisse abzulesen. In den Gebieten, welche bis zur Potsdamer Konferenz 1945 zu Deutschland gehört bzw. von 1815 bis 1918 dem preußischen Staat unterstanden hatten, entschied der Kandidat der bürgerlich-liberalen Bürgerplattform (Platforma obywatelska PO), Bronisław Komorowski, die Wahl mit deutlichem Abstand für sich. In den ehemaligen russischen und österreichischen Teilungsgebieten hingegen gewann der Kandidat der konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość PiS), Jarosław Kaczyński, mit deutlichem Vorsprung.

Beispiel einer Phantomgrenze: Wasserinfrastruktur im Rumänien der 2000er Jahre

Die Karte zur Wasserversorgung der Haushalte in Rumänien aus dem Jahr 2006 (siehe rechts unten) zeigt starke regionale Unterschiede in der Versorgung des ländlichen Raumes. Während in den ehemaligen habsburgischen Provinzen Siebenbürgen und Banat zwischen 10 und 50% der Haushalte einen eigenen Wasseranschluss haben, sind es in Oltenien und Moldau im Süden und Osten des Landes durchschnittlich weniger als 3%. Diese Unterschiede sind deshalb interessant, weil sie nicht mit der Verteilung von Wohlstand im Land korrelieren und ein vergleichsweise junges Phänomen darstellen.

Phantomgrenzen in Ostmitteleuropa: Räume und Akteure in der Zeit neu denken

Die eben genannten Beispiele machen es deutlich: Trotz der grenzüberschreitenden Vernetzung von Menschen und Orten prägen ehemalige (z.B. habsburgische, preußische oder osmanische) territoriale Gliederungen und Grenzen die Gesellschaften Ostmittel- und Südosteuropas bis heute. Wie lassen sich diese Phänomene, die die Projektmitglieder mit dem Konzept der Phantomgrenzen und -räume beschreiben, erklären? Werden sie durch tradierte Strukturen bestimmt, oder durch politische, wissenschaftliche und gesellschaftliche Diskurse imaginiert und (re)produziert?

Ausgehend von empirischen Fallstudien hinterfragen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Phantomgrenzen-Projekts die Raumbezüge von (historischen) Akteuren und analysieren aus deren Perspektive die Wechselwirkungen zwischen Raumwahrnehmung, Raumerfahrung und Raumgestaltung.

Das in vier Teilprojekten organisierte Kompetenznetzwerk „Phantomgrenzen in Ostmitteleuropa“ wird seit 2011 vom BMBF im Rahmen der Förderung der Regionalstudien finanziert.

Zum Projektflyer: Deutsch, English, Français

Wahlkarte_pr%c3%a4sidentschaftswahl%20polen%202015

Fig. 1: 191

Wasseranschluesse_rum%c3%a4nien_2006

Fig. 2: 190