FIMEMO
First Memories and Forms of Knowledge: Vergleichende Studie über die unmittelbare Folgenzeit von Völkermorden und die ersten Erinnerungen, Dokumentationsprojekte, Gedenkstätten und materielle Praktiken sowie Formen des Wissens im Fall der Shoah und des Völkermords an den Tutsi in Ruanda
Projektleitung: Aurélia Kalisky (CMB Berlin)
Fördermittelgeber: ANR-DFG
Projektpartner: Zuzanna Dziuba (Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, ZfA)
Laufzeit: 2025 – 2028
Das FIMEMO-Projekt untersucht das „frühe Wissen“, das von Überlebenden und betroffenen Gemeinschaften, einschließlich der Diaspora, unmittelbar nach einem Völkermord produziert wurde. Das Projekt konzentriert sich auf die ersten beiden Jahrzehnte nach dem Holocaust (1944-1964) und dem Völkermord an den Tutsi in Ruanda (1994-2014) sowie auf die (materiellen) Erinnerungspraktiken, die in diesem Zeitraum entstanden sind. Ziel ist es, den heuristischen Wert eines interdisziplinären Ansatzes zu erforschen, indem die jüngsten Forschungen zur Folgezeit des Holocaust („Aftermath Studies“) und das noch wenig erforschte Feld, das sich mit den unmittelbaren Nachwirkungen des Völkermords an den Tutsi befasst, zusammengeführt werden. Das Projekt befasst sich mit den frühen Erinnerungen der Überlebenden, ihren Initiativen, die Verbrechen zu dokumentieren, ihre Toten zu begraben und ihrer zu gedenken und erste Wissensformen zu schaffen. Das Projekt soll blinde Flecken in der Forschung zu den beiden Völkermorden in Bezug auf die Wissens- und Erinnerungsformen der betroffenen Gemeinschaften und ihrer manchmal konfliktbeladenen Beziehung zum Staat aufzeigen. Es versucht, die bestehenden Begriffsbestimmungen des Völkermords zu erneuern, indem es den Schwerpunkt auf die unmittelbare Folgezeit legt und eine Neubewertung der aktivistischen und verorteten Formen der Erinnerung und der Wissensproduktion durch das Konzept der minoritären Epistemologien vorschlägt.
Angesichts der aktuellen Debatten über die Herausforderungen komparatistischer Ansätze geht das Projekt FIMEMO einen anderen Weg, indem es die Praktiken von Überlebenden in zwei post-genozidalen Kontexten empirisch miteinander in Dialog bringt und so eine vergleichende Perspektive einführt, die sich auf die Zeit nach dem Völkermord konzentriert. Der innovative Charakter des Projekts liegt in seiner methodischen Ausrichtung auf einen klar definierten Untersuchungsgegenstand, um eine interdisziplinäre und komparative Analyse zu entwickeln. Die gemeinsame Untersuchung der Erinnerungs- und materiellen Praktiken und der Prozesse der Wissensproduktion in der Zeit nach dem Völkermord soll die empirischen Grundlagen für das Teilgebiet der „komparatistischen Aftermath Studies“ schaffen. Durch die Verbindung deutscher und französischer Ansätze und deren Öffnung für die Forschung, die in den Ländern, in denen Völkermorde stattgefunden haben (Ruanda, Polen und Osteuropa im Allgemeinen), produziert wird, zielt das Projekt darauf ab, ein transnationales Konsortium für „Comparative Aftermath Studies“ zu schaffen. Die gemeinsame Arbeit von europäischen und ruandischen Forscher:innen an bisher kaum untersuchten Fallstudien stellt eines der ersten Projekte dieser Art dar.