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Podcast - Hartmut Rosa: Der Irrtum der antagonistischen Sozialontologie.

Hartmut Rosa: Der Irrtum der antagonistischen Sozialontologie. Eine resonanztheoretische Konzeption des Gemeinwohls

06. Dezember 2018

Grußwort: Markus Messling (CMB)
Einleitung: Andrea Kretschmann (CMB)
Vortrag: Harmut Rosa

Aktuelle Theorien der Politik und des Politischen, insbesondere solche, die für sich selbst einen kritischen Standpunkt in Anspruch nehmen, basieren in ihrer großen Mehrzahl auf einer ‚antagonistischen Sozialontologie‘, für die Antagonismen und Konflikte die Basis alles Sozialen bilden und für die die sozialen Kämpfe der paradigmatische Ort und Konstitutionsgrund des Politischen schlechthin sind. Der Vortrag möchte zeigen, dass diese Auffassung des Politischen nicht nur einen hohen Preis hat, sondern geradezu fatale Konsequenzen zeitigt, weil die mit dieser Konzeption verbundene Form der Welthaltung, oder der Weltbeziehung, repulsiv ist: Wenn der unversöhnliche Streit zum Inbegriff des Politischen wird, dann heißt politisch handeln hart zu kämpfen, sich durchzusetzen, sogar zu versuchen, andere strategisch zu manipulieren, um Hegemonie zu erlangen und die Herrschaft zu erringen – eine Herrschaft, die dann ihrerseits unumstößlich andere ausschließen wird und auf partikularen Interessen basiert. Eine solche Auffassung unterminiert letztlich die Möglichkeit der kollektiven Anverwandlung der Strukturen der Lebenswelt und zerstört damit die Voraussetzungen genuiner demokratischer Gestaltung.

Demgegenüber möchte der Vortrag eine relationistische Sozialontologie skizzieren, die davon ausgeht, dass sich politische Subjekte und soziale Gruppen per se weder antagonistisch noch harmonistisch gegenüberstehen, sondern dass die Art ihrer Beziehung selbst das Ergebnis eines politischen Prozesses ist. Mehr noch, Subjekte formen sich selbst und das, was ihnen als Welt entgegentritt, erst in einem dynamischen Prozess der wechselseitigen Bezogenheit, so dass die Gestalt der Sozialontologie, der politischen Wirklichkeit, selbst zu dem gehört, was politisch gestaltbar ist. Der Vorschlag lautet also, dass nicht der Streit, sondern das gemeinsame (durchaus konflikthafte) Gestalten den Konstitutionsgrund des Politischen darstellt. Der politische Streit fokussiert dann auf ein Drittes, das sich nur als Gemeinwohl konsistent denken lässt. Weil sich substantielle Bestimmungen des Gemeinwohls jedoch als notwendig partikular, wenn nicht ideologisch fundiert, erweisen, entwickelt der Vortrag die These, dass sich ein solches Gemeinwohl konsistent nur als eine bestimmte Form der Beziehung, nämlich als dreidimensionales Resonanzverhältnis denken lässt, das sich erst im und durch den demokratischen Prozess zu realisieren vermag. Gemeinwohl bedeutet dann die Etablierung von Resonanzachsen in sozialer Hinsicht (als Form der Beziehung zwischen den Menschen), in materialer Hinsicht (als Form der Beziehung zur geteilten Lebenswelt) und in vertikaler oder existentialer Hinsicht (als Form der Beziehung zur Welt, zur Geschichte, zur Natur oder zum Leben als umgreifenden Totalitäten).

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