Buchpräsentation

Flucht als Handlungszusammenhang

04. Februar | 18:00

Umkämpfte Interaktionen der Flucht

Flucht ruft stark emotionsgeladene Bilder hervor. Analytisch, lässt sie sich gleichwohl als Handlungszusammenhang fassen, den vielfältige und grundsätzliche Machtasymmetrien strukturieren. An der Schnittstelle von Gewalt und Herrschaftsordnungen, von internationalen Rechtsnormen und nationalen Interessen, von Solidarität, informeller Ökonomie und existenzieller Bedrohung gründet sie auf umkämpften Interaktionen.

Das Themenheft „Flucht als Handlungszusammenhang“ (Zeithistorische Forschungen 3/ 2018) nimmt solche Interaktionen in den Blick. Erstens wirft es Licht auf Instrumente, die Flucht strukturieren, etwa Kategorien amtlicher Migrationsstatistiken. Zweitens bringt es die Performanz von „Macht auf der Flucht“ europäischer Regierungseliten in London während des Zweiten Weltkriegs zur Sprache und untersucht am Beispiel von Flüchtlingscamps in Bangladesch die Funktionen, die Gemeinschaftsvorstellungen für soziale, ökonomische oder politische Handlungsmacht einnehmen. Drittens beleuchtet es räumliche Dynamiken der umkämpften Interaktionen. Es verdeutlicht gesellschaftliche Räume, die aus Strategien und Taktiken von Flüchtenden hervorgehen können, wie die von dem Anthropologen Michel Agier beschriebene Lager-Gesellschaft an der französischen Ärmelkanalküste. Zudem wirft es Licht auf imaginierte, visualisierte oder erinnerte Erfahrungsräume der Flucht, wie die Ruta Benjamin, ein Weg über die Pyrenäen, der in den 1930er-Jahren zunächst als Fluchtroute nach Frankreich und in den 1940er-Jahren dann zur Flucht in die entgegengesetzte Richtung diente. Schließlich richtet das Themenheft in einer erkenntnistheoretischen Perspektive den Fokus auf den Handlungszusammenhang der Flucht. Es diskutiert akteurszentrierte Handlungskonzepte, fragt nach dem epistemologischen Potential von literarischen Texten und von Selbstzeugnissen für die Flüchtlings- und Migrationsforschung und stellt Erkenntnismöglichkeiten älterer sozialwissenschaftlicher Forschungen vor.

Ulrike Jureit (Historikerin, Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur), Bettina Severin-Barboutie (Historikerin, Universität Gießen) und Nikola Tietze (Soziologin, Centre Marc Bloch) stellen die Konzeption und Beiträge des Themenhefts vor. Denis Eckert (Geograph, Centre Marc Bloch) wird das Heft kommentieren. Moderiert wird der Abend von Michael Wildt (Historiker und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Zeithistorischen Forschungen, Humboldt Universität zu Berlin). Die Veranstaltung findet in deutscher Sprache statt.

In Kooperation mit dem Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam (Institut der Leibniz-Gemeinschaft): https://zzf-potsdam.de/

Link zum Heft: Zeithistorische Forschungen, 3/2018 Flucht als Handlungszusammenhang

Kontakt

Nikola Tietze
Nikola.Tietze  ( at )  wiku-hamburg.de

Ort

Germaine-Tillion-Saal
Centre Marc Bloch
Friedrichstrasse 191
10117 Berlin