Tagung

Soziale Imaginäre, Künstliche Intelligenz und Kulturindustrien: Für einen kritischen, empirischen und transdisziplinären Ansatz

December 06 | 08:30

Soziale Imaginäre, Künstliche Intelligenz und Kulturindustrien: Für einen kritischen, empirischen und transdisziplinären Ansatz

Imaginaires sociaux, intelligence artificielle et industries culturelles : pour une approche critique, empirique et transdisciplinaire.

6. Dezember 2024, Centre Marc-Bloch, Raum Georg Simmel. 8:30–18:00 Uhr

Die Kulturindustrien durchlaufen aufgrund der Einführung von Künstlicher Intelligenz (KI) tiefgreifende Transformationsprozesse. Automatisierung, neue Datensätze und durch KI „selbstgenerierte“ Inhalte werfen zahlreiche Fragen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Tätigkeiten in den kulturellen und kreativen Industrien (KKI) auf, die traditionell als Domäne „kreativer“ Expert*innen galten, wie etwa die Textproduktion, musikalische und visuelle Komposition. Diese Berufsfelder werden zunehmend von generativer KI (GenAI) beeinflusst. In diesem Zusammenhang artikulieren viele Fachleute und Künstler*innen der betroffenen Kulturbranchen einen ähnlichen Standpunkt: KI sei lediglich ein „Werkzeug“, dessen Einsatz jedoch eine umfassende Neubewertung des Status von Technik, Schöpfer*in und Werk sowie der Originalität der daraus resultierenden Kreationen erfordere. Tatsächlich basieren die „Kreationen“ der GenAI primär auf dem maschinellen Lernen von bereits bestehenden Inhalten. Die rechtlichen und medialen Diskussionen um das Urheberrecht werfen daher die Frage auf, ob GenAI tatsächlich „schafft“ oder lediglich Inhalte neu zusammenstellt und rekombiniert.

Die „kreativen Fähigkeiten“, die der GenAI zugeschrieben werden, beruhen folglich weniger auf gesteigerter Rechenleistung und dem Zugang zu Technologien, wie es die Unternehmen behaupten, sondern vielmehr auf sozialen Imaginären: einem fetischhaften Charakter, der die sozialen Beziehungen, aus denen sie hervorgeht (ästhetische, rechtliche, politische und ökonomische Beziehungen), verschleiert und subsumiert. Dieser fetischhafte Charakter kann jedoch nur durch die Überzeugungen, Ängste und Fantasien existieren, die die GenAI sowohl bei Produzent*innen als auch Konsument*innen sowie bei den intermediären Akteuren zwischen diesen beiden Gruppen weckt. Die Dialektik zwischen den sozialen Imaginationen der KI und der technischen sowie industriellen Realität dieser Technologie scheint eine „neue“ Kulturindustrie im Sinne der Frankfurter Schule hervorzubringen: Die Weltanschauungen, die durch sie hervorgerufen und geformt werden, können erfasst, gemessen und in die kulturellen Inhalte, die die KKI in „Echtzeit“ verbreiten, wieder eingebracht werden. Gleichzeitig ermöglicht die Analyse situierter Praktiken, zu erforschen, wie Individuen in den KKI aktiv mit der KI interagieren. Diese Interaktion ist dabei nicht nur auf die bloße Nutzung der KI als Werkzeug beschränkt, sondern stellt einen Prozess dar, der tief in soziale und kulturelle Normen eingebettet ist. Die alltäglichen Praktiken formen und werden von den sozialen Imaginären rund um die KI geprägt und schaffen so eine Dynamik, in der Imaginäre und Praktiken die kulturelle Produktion innerhalb der KKI entscheidend beeinflussen.

Diese Tagung wird sich mit den genannten Dialektiken zwischen sozialen Imaginären, Praxis und Kulturindustrien beschäftigen und bringt Forscher*innen aus frankophonen (Québec, Frankreich) und deutschsprachigen Regionen (Deutschland, Südtirol) zusammen, die sich mit den kulturellen und politischen Auswirkungen der GenAI auseinandersetzen.

Die Veranstaltung ist Teil einer Serie von vier wissenschaftlichen Treffen (Südtirol, Berlin, Montréal, Paris), die das Ziel verfolgen, ein empirisches, transdisziplinäres und internationales Forschungsprogramm zum Thema KI und Kulturindustrien zu etablieren. Als zweiter Teil dieser Serie wird sich der Tag speziell darauf konzentrieren, wie soziale Imaginäre, GenAI und die KKI uns als Forschende dazu auffordern, 1) die sozialen, beruflichen und kulturellen Transformationen innerhalb der KKI durch das Prisma der GenAI zu analysieren, 2) empirische Forschung zu den im Umlauf befindlichen sozialen Imaginationen zu betreiben und 3) die kritischen Theorien der KKI neu zu reflektieren.

!Präsenzseminar!

Zielgruppe: Professor*innen, Doktorand*innen und Postdoktorand*innen mit einem Forschungsinteresse an KI und Kultur, die ein internationales Forschungsprojekt entwickeln oder daran teilnehmen möchten. Vertreter*innen von Kulturinstitutionen sind willkommen, wenn sie Interesse an empirischer Forschung in diesem Kontext haben.

Organizer

Romuald Jamet

Program

8:30 Uhr: Empfang/Einführung (Kofler/Jamet) 

Panel 1: GenAI als post-phänomenologische Re-Intermediation der KKI 

9:00–9:45 Uhr: Blum 

9:45–10:30 Uhr: El Moussaoui 

Pause 30 Minuten 

Panel 2: GenAI als Weltanschauung: Mobilisierung sozialer Imaginationen durch die KKI 

11:00–11:45 Uhr: Kofler 

11:45–12:30 Uhr: Allard 

Mittagspause 1,5 Stunden 

Panel 3: Konsum und Zirkulation künstlicher kultureller Inhalte 

14:00–14:45 Uhr: Vonderau 

14:45–15:30 Uhr: Jamet 

Pause 30 Minuten 

16:00–18:00 Uhr: Diskussion (für Mitglieder, die an dem zukünftigen Projekt mitwirken möchten) 

Location

Georg-Simmel-Saal
Friedrichstraße 191

10117
Berlin
Deutschland