Der Fall Jauss
14. Juni | 18:00
Buchpräsentation mit Filmvorführung und Diskussionsabend
Im Mai 2016 erscheint das Buch Der „Fall Jauss“. Wege des Verstehens in eine Zukunft der Philologie (Kulturverlag Kadmos Berlin) des Potsdamer Romanisten und Komparatisten Ottmar Ette. Dies ist der Anlass, einen interdisziplinären Gesprächsabend auszurichten, der einem breiteren Publikum den „Fall Jauss“ bekanntmachen und einer Diskussion geschichtspolitischer, philologischer und ästhetischer Fragen dienen soll, die sich davon ausgehend stellen.
Hans Robert Jauß (1921-1997), seit 1966 Professor der Universität Konstanz, gilt als einer der bedeutendsten Literaturwissenschaftler Deutschlands der Nachkriegszeit. Mit seiner Konstanzer Antrittsvorlesung „Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft“, die bereits 1967 in Buchform erschien, begründete er die Rezeptionsästhetik, welche Ausweitungen in die Sozial-, Kultur- und Fachgeschichte erhielt, und die später als „Konstanzer Schule“ bezeichnet wurde. Seit der Literaturwissenschaftler Earl Jeffrey Richards 1995 zum ersten Mal öffentlichkeitswirksam auf die SS-Mitgliedschaft von Hans Robert Jauß hinwies, entbrannte über die Frage der Konsequenzen dieses Faktums eine Debatte, die nicht abebben sollte. Der französische Philologe Maurice Olender, der im September 1996 das einzige große Interview über die Vergangenheit mit Hans Robert Jauß für Le Monde geführt hat, machte in Jauß’ Äußerung ein signifikantes „Schweigen einer Generation“ aus (Race sans histoire, Paris 2005/2009). Vergleiche mit anderen diskutierten Fällen wie jene von Günter Grass oder Martin Heidegger drängten sich auf. Nach der Aufführung von Gerhard Zahners Theaterstück „Die Liste der Unerwünschten“ beauftragte 2014 schließlich die Universität Konstanz ein Gutachten zur Rolle Jauß’ in der Waffen-SS bei dem Potsdamer Historiker Jens Westemeier, das 2015 der Öffentlichkeit vorgelegt wurde.
Vor diesem Hintergrund dient der Abend der Diskussion von Fragen wie: Wie ist Jauß’ Verhalten zu verstehen? Welche Rolle spielt es für die Neugestaltung der Geisteswissenschaften in der Bundesrepublik? Sind Leben und Werk getrennt zu betrachten? Oder gibt es doch – vergleichbar etwa mit dem Fall Heideggers – einen Zusammenhang zwischen Jauß’ Leben und seiner Rezeptionstheorie? Welche Konsequenzen zieht man aus möglichen Erkenntnissen für die Beurteilung eines wissenschaftlichen Werks von internationaler Ausstrahlung? Und schließlich: Warum wird das Leben von Hans Robert Jauß in Deutschland erst so spät zum Thema, während es in Frankreich und den USA längst diskutiert worden war?
Um Anmeldung wird gebeten unter:
vas@cmb.hu-berlin.de
Kontakt
Sébastien Vannier
sebastien.vannier ( at ) cmb.hu-berlin.de
Programm
Voir la version française plus bas.
18:00-18:30 Uhr
Auftakt
Begrüßung: Markus Messling, Centre Marc Bloch
Thematische Einführung: Ottmar Ette, Universität Potsdam
Kurzdarstellung des historischen Gutachtens: Jens Westemeier, Universität Potsdam
18:30-19:30 Uhr
Projektion des Films „Die Antrittsvorlesung. Ein szenisches Drama“ (2015)
in Anwesenheit des Regisseurs Didi Danquart
Kurze O-Ton-Auszüge aus dem Interview mit Hans Robert Jauß für Le Monde(Institut Mémoires de l’Édition Contemporaine, IMEC Caen, Fonds Maurice Olender)
19:30-21:00 Uhr
Gesprächsrunde mit
- Didi Danquart, Kunsthochschule für Medien Köln
- Ottmar Ette, Universität Potsdam
- Maurice Olender, École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) Paris
- Thomas Sparr, Berlin
- Jens Westemeier, Universität Potsdam
Moderation: Andrea Allerkamp, Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder
Andrea Allerkamp, zunächst Professorin für Ideengeschichte und deutsche Literatur in Aix-Marseille und Poitiers, seit 2011 Professorin für Westeuropäische Literaturen an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder.
Didi Danquart, Professor an der Kunsthochschule für Medien Köln, ist preisgekrönter Regisseur und Drehbuchautor dokumentarischer und fiktionaler Filme sowie Gründer der Filmproduktionsfirma noirfilm.
Ottmar Ette, Professor für Romanische Literaturwissenschaft an der Universität Potsdam, Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Honorary Member der Modern Language Association.
Maurice Olender, Professor für die Geschichte der Sciences humaines an der EHESS Paris, zuletzt Gastprofessor auf dem Lehrstuhl für Französische Literatur und Kultur der ETH Zürich, ausgezeichnet durch die Académie française und mit dem Prix Roger Caillois für Essayistik.
Thomas Sparr, promovierter Literaturwissenschaftler, bis 2015 stellvertretender Verlegerischer Leiter des Suhrkamp Verlages, dessen Editor-at-large er heute ist.
Jens Westemeier, promovierter Historiker, Lehrbeauftragter für Militärgeschichte und die Kulturgeschichte der Gewalt an der Universität Potsdam.
18-18h30
Accueil
Mot d’accueil prononcé par Markus Messling, directeur adjoint du Centre Marc Bloch
Introduction thématique par Ottmar Ette, romaniste et professeur de littérature comparée à l’Université de Potsdam
Présentation de l’expertise historique sur Jauß par Jens Westemeier, historien à l’université de Potsdam
18h30-19h30
Projection du film « Le cours inaugural. Un drame scénique (2015)
En présence du réalisateur Didi Danquart
Morceaux choisis de l’entretien de Maurice Olender avec Hans Robert Jauß pour Le Monde(Institut Mémoires de l’Édition Contemporaine, IMEC Caen, Fonds Maurice Olender)
19H30-21h00
Table ronde animée par Andrea Allerkamp avec
- Didi Danquart, École Supérieure des Arts et des Médias de Cologne
- Ottmar Ette, Université de Potsdam
- Maurice Olender, École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) Paris
- Thomas Sparr, Berlin
- Jens Westemeier, Université de Potsdam
Andrea Allerkamp, professeure de littérature allemande et d’histoire des idées à l’Université d’Aix-Marseille puis de Poitiers. Depuis 2011, elle est titulaire de la chaire dédiée aux littératures ouest-européennes à l’université Viadrina de Francfort/Oder.
Didi Danquart, professeur à l’École Supérieure des Arts et des Médias de Cologne, scénariste et réalisateur de films documentaires récompensés à plusieurs reprises, fondateur de la société de production noirfilm.
Ottmar Ette, romaniste, professeur de littérature à l’Université de Potsdam, membre de l’Académie des Sciences de Berlin-Brandebourg, membre honoraire de la Modern Language Association.
Maurice Olender, professeur des sciences humaines à l’EHESS à Paris, récemment professeur invité à l’École Polytechnique Fédérale de Zurich, et dont l’œuvre fut couronnée par l’Académie française et le prix Roger Caillois de l’essai.
Thomas Sparr, docteur en littérature, ancien responsable des Éditions Suhrkamp jusqu’en 2015 pour laquelle il travaille aujourd’hui comme editor-at-large.
Jens Westemeier, docteur en histoire, chargé d’enseignement à l’Université de Potsdam, spécialiste d’histoire militaire et d’histoire culturelle de la violence.
Ort
Germaine-Tillion-SaalCentre Marc Bloch
Friedrichstrasse 191
10117 Berlin