Dr. Kathleen Schlütter | Assoziierte Forscherin

Dynamiken und Erfahrungen der Globalisierung
Centre Marc Bloch, Friedrichstraße 191, D-10117 Berlin
E-Mail: kathleen.schluetter  ( at )  cmb.hu-berlin.de Tel: +49(0) 30 / 20 93 70700

Mutterinstitut : Université Leipzig | Position : wissenschaftliche Mitarbeiterin "Die Produktion von Weltwissen im Umbruch" | Fachbereich : Kulturwissenschaften |

Biographie

Berufliche Laufbahn

  • seit 04/2023
    NFDI4Memory: Co-Measure Lead “Area Histories” (Task Area 4 “Data Literacy”)
  • seit 07/2022
    Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt "Die Produktion von Weltwissen im Umbruch" am ReCentGlobe der Universität Leipzig
  • 06/2012 - 03/2022
    Referentin, stellvertretende und kommissarische Referatsleiterin an der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH) in Saarbrücken und Berlin
  • 06/2014 - 12/2019
    Verfasserin der Frankreich-Nachrichten auf der BMBF-Plattform Kooperation International (https://www.kooperation-international.de/)
  • 06/2010 - 06/2012
    Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Kompetenzschule ELSYS der Research Academy Leipzig

Ausbildung

  • 10/2011 - 05/2022
    Promotion zum Thema „Die französische Hochschul- und Forschungspolitik 2002-2012: zwischen globalem Anspruch und nationaler Umsetzung“ (summa cum laude), Fachbereich Global Studies, Internationaler Promotionsstudiengang „Global and Area Studies“
  • 10/2003 - 07/2010
    Studium der Kulturwissenschaften, der Frankreichstudien und der Journalistik an der Universität Leipzig und der Université de Provence (Abschluss: Magistra Artium)
Forschungsthema

Kathleen Schlütter ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Research Centre Global Dynamics (ReCentGlobe). Sie forscht zu den Veränderungen in der Wissensproduktion in der Global condition, aktuell am Beispiel der "Area Studies" in Deutschland.

Ihre Promotion hat sie an der Universität Leipzig in Global Studies zur französischen Hochschul- und Forschungspolitik unter Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy geschrieben (Veröffentlichung 2024). Als stellvertretende Referatsleiterin an der Deutsch-Französischen Hochschule hat sie sich zudem über viele Jahre Expertise in interkultureller Verwaltungspraxis und Forschungsförderung angeeignet.

Ihre Forschungsinteressen umfassen insbesondere Hochschul- und Forschungspolitik in der Knowledge-based economy, Digital Humanities, Transnationalisierung, Kulturtransfer, Wissenschaftsgeschichte und Frankreich im 20. und 21. Jahrhundert.

Titel der Dissertation

Exzellenz und Égalité. Die französische Hochschul- und Forschungspolitik zwischen globalem Anspruch und nationaler Umsetzung (2002 bis 2012)

Zusammenfassung der Dissertation

„Wissensgesellschaft“ war in den 2000er Jahren ein omnipräsentes Motiv in westeuropäischen Industrienationen, die vor dem Hintergrund von zunehmender internationaler Konkurrenz über ihre Zukunftsfähigkeit nachdachten. Dabei erhielten Hochschulen und Forschungseinrichtungen als Orte der „Wissensproduktion“ eine besondere gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Doch wie wirken sich solche global zirkulierenden Ideen auf nationalstaatliche Politik aus? Das vorliegende Buch schließt diese Forschungslücke für das Fallbeispiel Frankreich. Es wird beginnend mit der zweiten Amtszeit von Staatspräsident Jacques Chirac präzise und anschaulich aufgearbeitet, wie die Selbstwahrnehmung, eine weltweit führende Wissenschaftsnation zu sein, mit der zunehmenden Bedeutung international vergleichender Indikatoren, der Lissabon-Strategie der Europäischen Union und Hochschulrankings in Frage gestellt wurde. Durch intensive Reformauseinandersetzungen, die Gründung neuer Strukturen wie der Agentur für Forschungsförderung ANR und einer Exzellenzinitiative entstand bis zum Ende der Amtszeit von Nicolas Sarkozy eine französischen Antwort auf diese Herausforderungen: ein Exzellenzmodell, das den französischen Traditionen treu blieb, aber international anschlussfähig war.

Institution der Dissertation
Universität Leipzig
Betreuer
Matthias Middell

Die Produktion von Weltwissen im Umbruch

Projektleitung: Prof. Dr. Matthias Middell
Projektbearbeitung: Dr. Carolina Rozo Higuera / Dr. Kathleen Schlütter

Über das Projekt

Die Welt wurde in den letzten 30 Jahren besonders intensiv vernetzt und durch die Mobilität von Menschen, Gütern, Kapital und kulturelle Muster, aber auch Viren „globalisiert“. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Wissensproduktion über eben jene Welt und ihre globalen Zusammenhänge. Das Forschungsprojekt „Die Produktion von Weltwissen im Umbruch“ untersucht diese Auswirkungen mit Blick auf die neu entstehenden Wissensfelder der “Transregional Studies“, „Comparative Area Studies“ und „Global Studies”.

Hintergrund

Mitte der 2000er Jahre diagnostizierten wissenschaftliche Akteure und staatliche Gremien in Deutschland ernsthafte strukturelle Defizite in den deutschen Regionalstudien, durch die ein nachhaltiger Verlust regionalwissenschaftlicher Expertise in Deutschland drohe. Empfohlen wurde insbesondere die Gründung disziplinenübergreifender, größerer und damit sichtbarerer Forschungszentren mit regionalem Schwerpunkt (siehe z.B.: Lackner et al. 1999; Wissenschaftsrat 2006a, 2006b; Freiburger Memorandum zur Zukunft der Regionalstudien in Deutschland am Beispiel ausgewählter Weltregionen 2005). Der Bund folgte den Empfehlungen und engagierte sich ab 2009 mit neuen Förderinitiativen für die Etablierung solcher Zentren und ähnlich ausgerichteter Netzwerke.

Die Ursachen der Krise waren nicht nur finanzieller oder struktureller Natur, sondern erklären sich vielmehr aus der Geschichte der betroffenen Forschungsfelder heraus. So wurde in den westeuropäischen Ländern traditionell alles Außereuropäische und später alles „Nicht-westliche“ in auf spezifische Regionen ausgerichteten Fächern erforscht. Bezeichnungen wie Afrikanistik, Orientalistik, Lateinamerika-Studien, Osteuropa-Studien oder Südostasien-Studien zeugen von dieser Wissensordnung. Sie entstanden in Europa als eigene Fächer im ausgehenden 18. Jahrhundert und spiegelten – wie alle wissenschaftlichen Disziplinen – das politische und gesellschaftliche Interesse ihrer Zeit wider. Die jeweiligen Regionen waren dabei in der Regel nur mit vergleichsweise hohem Aufwand erreichbar, was es leichter machte, sie als anders oder fremd wahrzunehmen. Zudem wurden die Regionalstudien als eine Art empirischer Zulieferer für die sogenannten Kerndisziplinen wie Geschichte, Soziologie oder Wirtschaftswissenschaften verstanden, deren spezifischer theoretischer Beitrag eher marginal erschien. Dem gegenüber sahen sich die Kerndisziplinen oft als die Fächer mit universellen und von räumlichen Zusammenhängen scheinbar losgelösten Forschungsfragen. Zweifel an den primär auf europäisch-westlichen Beobachtungen und Erfahrungen beruhenden Kategorien dieses Universalismus lassen sich allerdings als Unterströmung auch schon seit dem 18. Jahrhundert feststellen.

Dieses historisch gewachsene Verständnis von Regionalstudien und Kerndisziplinen musste ins Wanken geraten, je näher „die Welt“ im täglichen Erleben rückte. Spätestens ab dem Ende des Kalten Krieges und der damit einhergehenden Beschleunigung globaler Prozesse stellte sich mit zunehmender Dringlichkeit die Frage, ob wir in Deutschland, wie im Westen generell, noch Wissen anstreben, das wir in der im Entstehen begriffenen multipolaren Weltordnung brauchen werden. Die althergebrachte Einteilung der Welt in Nordamerika und Europa als den unbestrittenen wissenschaftlichen Zentren auf der einen Seite und dem Rest der Welt, der erforscht wird und/oder von Nordamerika und Europa lernen kann, auf der anderen Seite, erwies sich zunehmend als das, was sie schon immer war: eine eurozentristische Sichtweise.

Gleichzeitig veränderte sich die Wissenschaft in Gänze unter dem Einfluss globaler Prozesse: Schon seit den 1980er Jahren und mit zunehmendem Tempo ab den 1990er Jahren wuchs die Anzahl internationaler Forschungs- und Lehrkooperationen und eine stetig wachsende Zahl von Studierenden und Forschenden nutzte neue Möglichkeiten zur akademischen Mobilität. Mit der wachsenden Leistungsfähigkeit des Internets und digitaler Technologien erlangten zudem Rankings, Publikationsdatenbanken und Indikatoren zur (scheinbar objektiven) Vergleichbarkeit wissenschaftlicher Leistung immer größere Bedeutung. Aufgrund der großen Reputation der anglo-amerikanischen Hochschulsysteme existiert jedoch ein erheblicher Bias zugunsten englischsprachiger Publikations- und Reputationssysteme.

 

Forschungsfragen

Das Forschungsprojekt widmet sich der Frage, wie sich Forschungsthemen und die Struktur der Disziplinen der deutschen Area Studies in Deutschland seit der Krisendiagnose Mitte der 2000er Jahre und der nachfolgenden Bundesförderung verändert haben. In welchem Ausmaß wurden die gewünschten Ziele von mehr Sichtbarkeit sowie interdisziplinärer und fakultätsübergreifender Zusammenarbeit erreicht?

Hinzu kommen in jüngerer Zeit drei große Herausforderungen, die auch für die Area Studies und damit das Weltwissen-Projekt zusätzliche Forschungsfragen aufwerfen:

  1. In den Sozial- und Geisteswissenschaften wird an vielen Stellen an der Überwindung des de facto eurozentrischen Universalismus (ebenso wie vergleichbare Zentrismen in anderen Weltgegenden) und den Asymmetrien in der globalen Wissensproduktion gearbeitet. Gleichzeitig gibt es deutliche Anzeichen, dass die Marginalisierung nicht-westlichen Wissens dennoch eher noch zugenommen hat.
  2. Der Klimawandel und knapper werdende Ressourcen zeigen die Notwendigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit von Natur- und Geisteswissenschaften auf und es ist insgesamt ein Trend hin zu „Natur“ als Forschungsgegenstand zu beobachten.
  3. Digitalisierung, Datenproduktion und künstliche Intelligenz verlangen auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften nach neuen Wegen des Umgangs mit Daten in Bezug auf Erhebung, Archivierung, Austausch und Zusammenarbeit.

 

Vorgehen

Unsere Studie zielt auf die Erfassung des Zustandes und der Entwicklung eines Wissensfeldes in Transformation (s.a. Middell 2013; Mielke und Hornidge 2017). Sie deckt den Zeitraum seit den frühen 2000er Jahren ab, den wir in drei Perioden unterteilt untersuchen: Wir untersuchen drei Zeitspannen, zunächst die Phase der Krisendebatte, dann die Periode des neuen Förderschemas und schließlich die Periode der fortgesetzten, aber heterogeneren Förderung: 2003-2008; 2009-2017; 2018- 2025.

Wir erarbeiten dafür in einem ersten Schritt eine Übersicht der institutionellen und personellen Landschaft sowie den Verbindungen deutscher Einrichtungen zu anderen Teilen der Welt. Dafür führen wir eine breite Datenerhebung und -auswertung durch und nutzen Quellen wie Jahresberichte, Tagungen oder Onlineauftritte. Den oben beschriebenen veränderten Rahmenbedingungen tragen wir Rechnung, indem wir anstreben, den „intellektuellen Output“ der in Deutschland angesiedelten Area Studies im breiten Sinne bibliometrisch zu erfassen: Monographien, Sammelbände, Zeitschriften, Working Papers … Mit entsprechenden Visualisierung werden wir das Forschungsfeld in seiner Leistungsfähigkeit und seinen Vernetzungen kartographieren. Zudem planen wir Fokusgruppen-Interviews. Unsere Ergebnisse stellen wir innerhalb der Fachcommunity zur Diskussion.

In einem weiteren, zweiten Schritt erweitern wir unsere Analyse um die internationale Wissensproduktion über transregionale Prozesse und globale Herausforderungen. Hierfür planen wir ein Mapping der mit anderen Weltregionen befassten Einrichtungen weltweit, eine Datenerhebung ihrer Publikations- und Tagungstätigkeiten, eine Auswertung ihres konzeptionellen Vokabulars und ein Abgleichen mit den Erhebungen internationaler Organisationen (International Council for the Social Sciences; International Council for Philosophy and the Humanities).

 

Ziel

Im Ergebnis werden sich einerseits jene intellektuellen und institutionellen Entwicklungen zeigen, die von Deutschland aus angestoßen wurden oder – dank Vernetzung – zu Quellen der Inspiration für das deutsche Wissenschaftssystem wurden. Andererseits wollen wir auch jene Entwicklungen sichtbar machen, die sich außerhalb dieses Netzwerkes abspielen und gegebenenfalls für die künftige Entwicklung beachtet werden müssten. Die erhobenen Datensätze werden bei Publikationen der Projektergebnisse (im Sinne einer Überprüfbarkeit im Review-Prozess) mitgeteilt und mit Projektabschluss (im Sinne einer open data policy) zugänglich gemacht.

Für den gesamten Forschungsprozesses planen wir eine breit angelegte Wissenschaftskommunikation, die sowohl die verschiedensten gesellschaftlichen Akteure anvisiert als auch der Vernetzung der untersuchten Einrichtungen dient.

Publikationen

Monographie:

Schlütter, K. (2024): Exzellenz und Égalité. Die französische Hochschul- und Forschungspolitik zwischen globalem Anspruch und nationaler Umsetzung (2002 bis 2012). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Weitere Publikationen:

Schlütter, K (2024): Higher Education and Research: An Integral Part of the French Globalization Project.” In: French Globalization Projects, edited by Matthias Middell. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Rozo Higuera, C.; Schlütter, K. (2024): The production of world knowledge transformed. First results on the dynamics of Area Studies in Germany (2003-2025). DOI: https://doi.org/10.36730/2024.1.dhdl.2.

Ommert, E.; Schlütter, K. (2024): Digital Monolingualism, Archives at Risk, and Global Views on Open Access. Trafo. 2024. DOI: https://doi.org/10.58079/vym1.

Schlütter, K.; Rozo Higuera, C. (2023): Area studies in Germany: Investigating research topics, denominations and structures in continuous change. ReCentGlobe-Blog. https://recentglobe.hypotheses.org/252.

Schlütter, K. (2021): Pandémie et recherche française : le nouveau chapitre d’une crise sans fin ?. AOC. https://aoc.media/analyse/2021/05/30/pandemie-et-recherche-francaise-le-nouveau-chapitre-d-une-crise-sans-fin/.

Vorträge / Panel-Organisation

Keynote "Knowledge production in the global condition: new possibilities, old inequalities?", 4th Globalization Conference, EURAC Research (27.4.24 in Bozen).

Online-Workshop "Nodegoat als Tool für die historisch arbeitenden Wissenschaften", Books2Bytes (24.5.24).

Votrag "A research community in the global condition: Preliminary results on the dynamics of Area Studies in Germany (2003-2025)", CrossArea conference 2023: "Doing Area Studies in the Polycentric Condition" (November 16/17, 2023 in Regensburg).

Roundtable “The Future of the Archive(s): Digital Infrastructures Across Regions”. Zusammen mit Eva Ommert.  Universität Regensburg (Department for Interdisciplinary and Multiscalar Area Studies) & Leibniz Institute for East and Southeast European Studies (IOS) and online, NFDI4Memory in Kooperation mit CrossArea e.V., Regensburg 17.11.23.

Vortrag "Die Produktion von Weltwissen im Umbruch", zusammen mit C. Rozo Higuera, BMBF-Network-Meeting "Limits of the development paradigm" (6./7. Juli 2023 in Gießen).

Panel "The production of world knowledge transformed: Area studies in Europe", 7th European Congress on Universal and Global History (28.06.2023 in Den Haag).

Vortrag "Mapping the Production of World Knowledge in German Academia", European Social Science History Conference (13.04.2023 in Göteburg).

Votrag "The challenge of visualizing knowledge production in motion: Comparative Area Studies, transregional studies and Global Studies in Germany", mit C. Rozo Higuera, Annual conference SFB 1199: Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen (27.09.2022 in Leipzig).