Praktiken und Repräsentationen der Macht


Die Erfahrung der autoritären Regime – insbesondere des Nationalsozialismus – hat die Herausbildung politischer Ordnungen im Europa des 20. Jahrhunderts maßgeblich beeinflusst. Die wissenschaftliche Erforschung dieser Schlüsselepoche der neueren Geschichte ist daher bis heute unverzichtbar, ihre Rolle für die Formierung des politischen Bewusstseins nach wie vor zentral. Dies gilt, wenn auch unter anderen Vorzeichen, noch für die Zeit nach dem Ende der Nachkriegsordnung im Jahr 1989. Mit dem Fall der Berliner Mauer endete der Kalte Krieg und die jahrzehntelange Teilung der Welt in zwei verfeindete Blöcke wurde aufgehoben. Die repräsentative Demokratie etablierte sich als dominierendes Modell auf dem europäischen Kontinent. Doch paradoxerweise hat dieser Triumph westlicher Politikformen nicht das „Ende der Geschichte“ eingeleitet, das einige Denker vorschnell vorausgesagt hatten. Vielmehr gilt es, die politische Bedeutung und Zirkulation von Worten, Bildern und Klängen sowie von Gefühlen in der politischen Öffentlichkeit angemessen zu berücksichtigen.

So muss sich die Wissenschaft damit auseinandersetzen, dass der Staat längst nicht mehr als die wichtigste oder gar einzige Säule des politischen Lebens angesehen wird. Zunehmend werden nicht-staatliche Akteure und die Dynamik überstaatlicher Interaktionen in den Blick genommen. Transnationale politische Akteure, Institutionen und Netzwerke werden ebenso untersucht wie europäische und globale Öffentlichkeiten. Damit geht auch ein neues Interesse für die grenzüberschreitende Zirkulation von Experten und Wissen und deren Wirkung auf die Regierungen der Staaten einher.

Darüber hinaus nimmt politische Kommunikation einen immer wichtigeren Platz für die Vorbereitung und gesellschaftliche Durchsetzung von Entscheidungen ein. Es ist daher dringend nötig, ihre Funktionsweisen zu reflektieren. Dazu muss ihre Entstehung in der Vergangenheit ebenso untersucht werden wie ihre gegenwärtigen Transformationen. Vorstellungen des Politischen, die ausschließlich auf dem Spiel der „Interessen“ oder der „rationalen“ Entscheidung beruhen, sind dazu wenig geeignet. Vielmehr gilt es, die politische Bedeutung von Gefühlen in der politischen Öffentlichkeit angemessen zu berücksichtigen.

Die Forschungsachse „Praktiken und Repräsentationen der Macht“ hat sich zum Ziel gesetzt, diese Phänomene unter neuen Blickwinkeln zu studieren. Die Gruppen, die in ihr vertreten sind, sind interdisziplinär angelegt. Ihre Originalität beruht aber auch auf der Verbindung der in Frankreich und in Deutschland gebräuchlichen Deutungsmuster und Forschungsmethoden sowie auf einer Herangehensweise, die Gesellschaft gleichermaßen „von oben“ wie „von unten“ betrachtet. Die klassischen Formen der Analyse von Politik werden berücksichtigt, doch gleichzeitig neue Felder und Methoden exploriert. Wie wird der öffentliche Raum politisch besetzt oder, im Gegenteil, vermieden? Wie wirken sich kommunikative Vorgänge auf die Konstruktion von Kategorien, wie auf soziale Wirklichkeiten aus?