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CFP - Pouvoirs du rire, rire du pouvoir / Die Macht des Lachens, Lachen über die Mächtigen

December 15 

CFP für ein interdisziplinäres, deutsch-französisches Kolloquium Centre/Zentrum Marc Bloch Berlin 15-16 mai 2025 Langues/Sprachen : français et/und deutsch
EXTENDED DEADLINE: 15 DEZEMBER


Humor wird in der Regel von der Analyse politischer Diskurse und Praktiken ferngehalten. Dabei gehören Satire oder Karikatur zu den ältesten Formen der Manifestation und Kritik von Macht. Umgekehrt kann das Register des Witzes auch zum Vektor einer aufgezwungenen Komplizenschaft werden. Lachen ist ein starkes Sozialisierungsinstrument, schafft gemeinsame Anerkennung aber auch Ausgrenzung. Es verleiht der Politik eine performative Dimension, die ganz natürlich ihren Platz in Kontexten von politischem Engagement oder kritischen Demonstrationen findet. Die Wahl des Lachens als Untersuchungsgegenstand ermöglicht es uns, Signale oder Implizites zu analysieren, die oft ungesagt bleiben.
Der Humor, der in der politischen Sphäre oder in der journalistischen Kritik, aber auch im sozialen Austausch oder im privaten Raum praktiziert wird, ermöglicht die Aneignung und die Verbreitung von Botschaften. Die ritualisierten Formate des Witzes, der Pressekarikatur oder des Memes in sozialen Netzwerken sorgen für ihre Replikation und Verbreitung. Der Witz wurde oft als eine Form des Widerstands (Müller 2009, Baridon, Guédron, 2015, Aglan 2023), aber auch als Propaganda durch Ablenkung (Delporte 1993) analysiert, insbesondere im Fall der UdSSR (Regamey, 2007; Yurchak, 2005) oder des faschistischen Italiens (Mattard-Bonucci, 1998). In jüngerer Zeit wurde seine Rolle bei der Ausübung von Gewalt im Deutschland des Krieges (Kessel, 2019) oder beim Verständnis der sozialen Ordnung und der Konflikte in Diktaturen und Demokratien (Kessel, Merziger, 2012) beschrieben.

Das deutsch-französische Kolloquium fragt nach dem Verhältnis von Humor und Macht in all ihren Formen. Dabei soll sowohl seine institutionelle Seite als auch das gewöhnliche Lachen und die Art und Weise, wie es im Alltag zur Verkörperung von Machtverhältnissen eingesetzt wird, untersucht werden. Ob es sich um Witze unter Insidern, Klassenwitze oder Punchlines auf einer Fernsehbühne handelt, das politische Lachen nimmt verschiedene Formen an und kann mithilfe verschiedener Methoden analysiert werden: Beobachtung, Interviews, Konversation in sozialen Netzwerken usw. Dieses Kolloquium soll auch eine Form des Humors, der seit einigen Jahren als "cringe" bezeichnet wird, näher beleuchten: ein Lachen, das Unbehagen oder peinliches Schweigen hervorruft, ein Lachen, das nicht mit allen geteilt wird. Ob es nun potenziell ausgrenzend ist oder Machtstrukturen kritisiert, es geht darum, die Auswirkungen der Performativität zu verstehen und die Art und Weise, wie sie Grenzen oder Normen schafft, u.a durch Verbindungen, die sie zwischen den Sphären der Macht und dem Alltag herstellt. Wie versuchen kulturelle oder politische Institutionen, das Lachen zu beschränken, oder sogar zu verhindern, oder zu bestrafen? Wie führen diese Einschränkungen zu Widerstand, aber auch zu neuen Handlungsweisen? Wie können sich umgekehrt Institutionen bestimmte Formen des Humors aneignen? Wer verleiht dem Lachen Legitimität und über wen wird gelacht? Gibt es Debatten darüber, über wen man Witze machen darf, wer daran teilnimmt oder davon ausgeschlossen ist?

Eine erste Reihe von Fragen wird sich auf die Praktiken des Lachens als Widerstand, als Zeit und Raum für sich oder als Eigensinn (Alf Lüdtke) in liberalen und illiberalen Regimen beziehen. Wir möchten auch den politischen Rahmen dieser humoristischen Praktiken hinterfragen, die Unterschiede in der Verwendung je nach Regime, aber auch die institutionellen oder informellen, rechtlichen oder ideologischen Mechanismen, die den Humor einrahmen oder behindern können. Das Lachen kann auch als Instrument zur Naturalisierung von Ideologemen und als Ausübung von Herrschaft oder Gewalt, insbesondere von geschlechtsspezifischer Gewalt, hinterfragt werden. Aber auch Formen des Lachens über die Mächtigen, wie sie z.B. beim Karneval vorkommt, sollen analysiert werden. Die Frage nach den ritualisierten Ausdrucksmodalitäten und den diskursiven oder visuellen Formaten des Humors wird es ermöglichen, dessen kommunikative Wirksamkeit und seine Fähigkeit zur Weitergabe von Botschaften zu prüfen.

Praktische Informationen

Das Kolloquium findet an zwei Tagen, dem 15. und 16. Mai 2025, im Centre Marc Bloch in Berlin statt und wird von Alexandra Oeser, André Gunthert und Eric Wittersheim organisiert. Das Kolloquium richtet sich in erster Linie an Forscher*innen, die zu Frankreich und Deutschland arbeiten, aber Beiträge zu anderen, insbesondere außereuropäischen und/oder nicht-westlichen Ländern sind sehr willkommen.

Zusammenfassungen der Beiträge (3000 Zeichen inkl. Leerzeichen), die sich auf Materialien stützen (Archive, Interviews, Beobachtungen, Analyse sozialer Netzwerke), mit einer Bibliographie, sind bis zum 15. Dezember in deutscher, französischer oder englischer Sprache an folgende Adresse zu senden: rire@cmb.hu- berlin.de

Zeitplan: Auswahl der Vorschläge Mitte Januar 2025, Einsendung der vollständigen Papiere am 15. April 2025.
Vorschläge von Doktorand*innen sind ganz besonders willkommen.

Bibliographie indicative/einleitende Bibliographie:

  • Aglan, Ayla, Le rire ou la vie. Anthologie de l’humour résistant. 1940-1945, folio, Editions Gallimard, 2023.

  • Baridon, Laurent, Martial Guédron, L’Art et l’Histoire de la caricature, Paris, Citadelles & Mazenod, 2015.

  • Butler, Judith, Le Pouvoir des mots. Discours de haine et politique du performatif (traduit de l’anglais par Charlotte Nordmann), Paris, éd. Amsterdam, 2017.

  • Delporte, Christian, Les crayons de la Propagande, Paris, éditions du CNRS, 1993.

  • Matard-Bonucci, Marie-Anne, «Rire sans éclats. Esquisse d'une histoire politique et sociale du rire en régime fasciste», Revue d'histoire moderne et contemporaine, 45/1, 1998.

  • Kessel, Martina, Gewalt und Gelächter, ‘Deutschsein’ 1914-1945, Franz Steiner Verlag, 2019.

  • Kessel, Martina, Merziger, Patrick, Politics of Humour. Laughter, Inclusion & Exclusion in the 20th century, University of Toronto Press, 2012

  • Merziger, Patrick, Nationalsozialistische Satire und deutscher Humor. Politische Bedeutung und Öffentlichkeit populärer Unterhaltung, 1931-1945, Stuttgart, Steiner Verlag, 2010.

  • Müller, Reinhard (Hg.), Auf Lachen steht der Tod! Österreichische Flüsterwitze im dritten Reich, Studienverlag Gmbh, 2009.

  • Alf Lüdtke, Eigensinn. Fabrikalltag, Arbeitererfahrungen und Politik vom Kaiserreich bis in den Faschismus, 2015.

  • Regamey, Amandine, Prolétaires de tous les pays, Excusez-moi! Paris, Buchet- Chastel, 2007.

  • Rires. N° Thématiques de Terrains, Anthropologie et sciences humaines, n°63, 2013.

  • Yurchak, Alexei, Everything was forever, until it was no more, Princeton University Press, 2005.


Contact:

Alexandra Oeser
alexandra.oeser  ( at )  cmb.hu-berlin.de