Workshop

Topografischer Geschichtsworkshop: Die Aids-Krise in Berlin (1980 bis heute)

13. Mai | 10:00

Die Aids-Krise in Berlin (1980 bis heute). Aktivistische Stimmen, wissenschaftliche Diskurse und Erinnerungspraktiken

Zeitgenössiche epidemiologische Entwicklungen und die damit einhergehenden Herausforderungen für das öffentliche Gesundheitswesen veranlassen uns, eine andere Epidemie in den Blick zu nehmen: die AIDS-Epidemie. 1981 wurde zunächst in den USA und später in Europa eine besondere Form von Lungenentzündung diagnostiziert, hauptsächlich bei homosexuellen Männern. Bald wurde sie GRID (Gay-Related Immune Deficiency) genannt, ab 1982 in „AIDS“ oder „erworbenes Immunschwächesyndrom“ umbenannt. Die Epidemie sorgte bald für eine Art „sexuelle Panik“ bei den medizinischen wie politischen Behörden.

Im damaligen Kontext medizinischer und sozialer Notlage bildeten das Vereinswesen, die Kunst und der Aktivismus - sowohl im medizinischen wie auch im politischen Bereich – Pole des Widerstands gegen Praktiken der Exklusion sexueller Minderheiten. Die Krankheit Aids zeichnet sich somit durch ein Paradoxon aus. Zwar hat der mediale und wissenschaftliche Diskurs der 1980er und 1990er Jahre die westlichen Gesellschaften, insbesondere die deutsche und die französische, stark geprägt. Doch scheint es keine weitreichende Tradierung der Erinnerung an Aids gegeben zu haben, und nur wenige interdisziplinäre Auseinandersetzungen an der Schnittstelle von Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften und Medizin wurden dem Thema gewidmet.

Darüber hinaus gibt es zwar heutzutage eine gewisse Expertise und Forschung zu Aids, doch findet diese nicht selten noch in einem nationalen Rahmen statt. Die den Workshop prägende deutsch-französische Perspektive, die auf dem Vergleich zwischen den Metropolen Paris und Berlin (West und Ost) beruht, ist für das Thema jedoch zentral. Auch wenn die gesellschaftlichen Situationen auf den ersten Blick vergleichbar waren (öffentliches Gesundheitssystem, vergleichbare soziale Strukturen, transatlantische Zirkulation), sind doch erhebliche Unterschiede zwischen beiden Ländern festzustellen. So dauerte es in Frankreich bis zum Ende der 1980er Jahre, bis die öffentliche Hand die ersten gesundheitspolitischen Maßnahmen einführte, wohingegen dies in der Bundesrepublik bereits zu Beginn der Epidemie geschah, bei gleichzeitiger Einbeziehung erster Organisationen zur Bekämpfung der Krankheit. In Berlin war darüber hinaus die Situation spezifisch: zwei Regime mit ganz unterschiedlichem Umgang mit der Krankheit standen einander gegenüber.

Unser topografischer Workshop wird daher die Gelegenheit sein, den zeitgeschichtlichen Stellenwert von Aids zu hinterfragen. Wie ging man mit den Kranken um? Welche Notprozeduren wurden sowohl von staatlichen Behörden wie auch von gemeinnützigen Organisationen eingeführt? Wie sichtbar war die Krankheit im öffentlichen Raum? Wie reagierte die Kunstszene (Kunst, Theater, Film, Literatur)? Wie entfaltet sich nunmehr das soziohistorische Gedächtnis der Epidemie? Und wie kann die Erinnerung ausgeweitet werden – über die Sichtbarkeit schwuler Männer hinaus auf Drogenabhängige, Sexarbeiter*innen oder heterosexuelle Partner*innen?

Der Workshop bietet ein ambitioniertes wissenschaftliches und kulturelles Programm: Es wird darum gehen, junge Forscher*innen (aus den Bereichen Medizin, Biologie, Geschichte, Soziologie, Politikwissenschaft, Museologie, Filmwissenschaft u.a), erfahrene Forscher*innen und andere Expert*innen des Themas (Pädagog*innen, Museumsmacher*innen, Sozialarbeiter*innen, Aktivist*innen) in einen interdisziplinären Dialog zu bringen. Darüber hinaus werden durch die Auswahl der besuchten Orte (Museen, Institutionen, Archive, Gedenkstätten, Vereine) Verbindungen zwischen Geschichte, Forschung und Gesellschaft hergestellt und Terrains für eine kollektive Arbeit während des topografischen Workshops bereitgestellt.

Aublauf des Workshops:

Der einwöchige Workshop richtet sich an Masterand*innen und (Post-)Dokorand*innen, die sich für diese Fragen interessieren und aus den Geistes- und Sozialwissenschaften oder Naturwissenschaften kommen. Ziel ist es,den interdisziplinären Dialog zu fördern. Der Workshop bietet die Gelegenheit, Geschichte vor Ort praktisch zuerleben, sich produktiv auseinanderzusetzen und den Dialog mit Spezialist*innen und Forscher*innen zu er-möglichen. Vorab wird ein Reader verteilt, der die gemeinsame theoretische und methodologische Basis für dietopografischen Besichtigungen und Diskussionen bilden soll. Das Programm ist interaktiv angelegt und wech-selt zwischen Besuchen und Analysen historischer Orte, Diskussionen und selbstständiger Gruppenarbeit.

Bewerbung

https://cmb.hu-berlin.de/zentrum/neuigkeit/aufruf-fuer-bewerbungen-topografischer-geschichtsworkshop-fuer-junge-forscherinnen-die-aids-krise-in-berlin-1980-bis-heute
First: 10. März

Kontakt

Aurélie Denoyer
denoyer  ( at )  cmb.hu-berlin.de

Ort

Centre Marc Bloch
Friedrichstraße 191, 10117 Berlin