Christian Jacobs | Assoziierter Doktorand

Staat, Recht und politischer Konflikt

Mutterinstitut : Freie Universität Berlin | Fachbereich : Geschichte |

Biographie

Christian Jacobs hat 2024 seine Promotion an der Graduiertenschule für Global Intellectual History der Freien Universität abgeschlossen. Die Arbeit untersucht, wie die Frauenbewegung, die sogenannte Neuen Rechten und migrantisierte Aktivist*innen den Kulturbegriff in Frankreich von den 1960er bis in die 1980er Jahre nutzten. Für die Promotion war er Stipendiat am Deutschen Historischen Institut in Paris und Gastwissenschaftler an der EHESS Paris sowie an der Sciences Po Paris. Zuvor hat er Geschichte in Freiburg, Martinique, Taipei und Berlin studiert. Er hat über Maoismus in Frankreich, postkoloniale Erinnerungskultur in Westeuropa und (post)-migrantischen Aktivismus in Frankreich publiziert. Weitere Forschungsinteressen sind die globale Ideengeschichte, soziale Bewegungsforschung und die Bedeutung der Dekolonisierung in Europa.

Forschungsthema

Die Dissertation analysiert, wie drei politischen Bewegungen in Frankreich zwischen den späten 1960er- und den frühen 1980er Jahren den Kulturbegriff verwendeten: die Frauenbewegung, postmigrantische Bewegungen und die sogenannte Neue Rechte. Ich frage, was Kultur für die Bewegungen bedeutete und wann und warum Aktivist*innen den Begriff verwendeten. Indem die Dissertation politische Bewegungen als Produktionsstätten von Begriffen untersucht, verbindet sie Ideengeschichte mit Politik- und Sozialgeschichte. Sie untersucht intellektuelle Arbeit jenseits berühmter Persönlichkeiten und gleichzeitig als Praxis und als Theorie.

Ich hebe hervor, wie spezifische historische Kontexte wie rechtliche, finanzielle und kulturelle Ressourcen, die sozialen Profile der Bewegungen und das politische Umfeld mit seinen dominanten Diskursen, potenziellen Verbündeten und Feinden die intellektuellen Geschichten der politischen Bewegungen prägten. Ich beschreibe nicht eine einzige begriffliche Veränderung über die Zeit, sondern mehrere begriffliche Veränderungen, wie z. B. die begriffliche Fragmentierung in der Frauenbewegung der 1970er Jahre, die Ausweitung des Kulturbegriffs um 1980 in postmigrantischen Kreisen und die zunehmende Verwendung des Begriffs "Kultur" bei rechtsextremen Aktivisten in den 1970er Jahren.

Gleichzeitig identifiziere ich zwei allgemeine Entwicklungen, die den Kulturbegriff im Untersuchungszeitraum prägten. Erstens: Dekolonisierung als intellektuelle und politische Entwicklung definierte politische Ideen und Schlüsselbegriffe wie Kultur neu. Die Arbeit trägt damit zu Debatten über den Eurozentrismus der europäischen Geistesgeschichte und eine „Ideengeschichte der Dekolonisierung“ bei. Zweitens: Die Idee eines Wandels durch Kultur ersetzte Visionen, in denen der Staat das zentrale Instrument für politische Veränderung war. Damit ordnet die Arbeit jüngste Forschungen über Neoliberalismus und die Menschenrechte als mächtige globale Ideologien der 1980er Jahre in einen breiteren Trend staatskeptischer politischer Visionen ein.

Titel der Dissertation

Feministische, rechtsradikale und postmigrantische Kultur. Eine Begriffsgeschichte in Frankreich nach der Dekolonisierung

Institution der Dissertation
Freie Universität Berlin
Betreuer
Michael Goebel

Feministische, rechtsradikale und postmigrantische Kultur. Eine Begriffsgeschichte im postkolonialen Frankreich

Das Promotionsprojekt analysiert die Geschichte des Kulturbegriffes in der französischen Politik zwischen den 1960er- und den 1980er-Jahren. Ich untersuche wie drei politische Bewegungen den Begriff verwendet haben: 1) Die Frauenbewegung,  2) die sogenannte "Neue Rechte" und 3) die postmigrantische Bewegung. Mit dem begriffsgeschichtlichen Zugang versuche ich eine global Ideengeschichte dieser politischen Bewegungen zu schreiben.

Publikationen

Monographien

The Politics of ‚Culture‘ in France. Feminist, Far-Right, and “Immigrant” Movements in France, ca. 1965-1985 (Reihe: The Politics of Historical Thinking), Berlin: De Gruyter [Forthcoming].

Artikel

Culture as a Political Tool for Migrant Activists in France Facing Repression, in: Simone Paoli, Emmanuel Comte (Hg.): The Migration Turn and the New International Order in the Long 1970s [Forthcoming].

Negotiations over the Past. 2009’s general strike in the French Caribbean and the Colonial Past: in: Stefan Berger, Christian Koller (Hg.): Memory and Social Movements in Modern and Contemporary History (Palgrave Studies in the History of Social Movements), 2024, 157-174, https://doi.org/10.1007/978-3-031-52819-4_8.

From anti-imperialism to multiculturalism. (Post)-migrant media in postcolonial France, in: Labor History 64/4 (2023), https://doi.org/10.1080/0023656X.2022.2148640.

Mehr als eine Projektion. Maoismus in Frankreich in den 1960er- und 1970er Jahren, in: Francia. Forschungen zur Geschichte Westeuropas 47 (2020), pp. 181-204, https://doi.org/10.11588/fr.2020.1.86568.

Placing German Colonialism in the City. Berlin Postkolonial’s Tour in the African Quarter, in: Global Histories 5/2 (2019), pp. 110 - 117, https://doi.org/10.17169/GHSJ.2019.341 (Together with Paul Sprute).

Rezensionen

Review of Cyril Cordoba: Au-delà du rideau de bamboo. Relations culturelles et amitiés politiques sino-suisses. Neuchâtel: Éditions Alphil, 2020, in: Traverse. Revue d’histoire (2021/3).

Review of Patrick Boucheron; Stéphane Gerson (ed.): France in the World. A New Global History. New York  2019, in: H-Soz-Kult, 15.07.2021.

Review Article of Ludivine Bantigny: 1968. De grands soirs en petits matins, Paris 2018, and Christina von Hodenberg: Das andere Achtundsechzig. Gesellschaftsgeschichte einer Revolte, München 2018, in: Arbeit - Bewegung - Geschichte (2020/3), pp. 147 – 149.

Review Article of Gilian Glaes: African Political Activism in Postcolonial France. State Surveillance and Social Welfare, Abingdon 2019, und Felix Germain: Decolonizing the Republic. African and Caribbean Migrants in Postwar Paris, 1946–1974, East Leansing 2016, in: French History 34/3, September 2020, pp. 402–405, https://doi.org/10.1093/fh/craa061.

Review of Julia Lovell: Maoism. A Global History, London 2019, in: Global Histories 5/2 (2019), pp. 160 - 163.

Review of François Hourmant: Les Années Mao en France. Avant, pendant et après mai 68, Paris 2018, in: Archiv für Sozialgeschichte (online) 59, 2019.