Dr. Maiwenn Roudaut | Assoziierte Forscherin

Kritisches Denken im Plural. Begriffliche Wege der Sozialforschung
Centre Marc Bloch, Friedrichstraße 191, D-10117 Berlin
E-Mail: maiwenn.roudaut  ( at )  cmb.hu-berlin.de Tel: +49(0) 30 / 20 93 70700

Mutterinstitut : Université de Nantes | Position : Maîtresse de conférences | Fachbereich : Germanistik |

Biographie

Nach Abschluss eines Germanistikstudiums mit Schwerpunkt deutsche Philosophie und Ideengeschichte an der École Normale Superieure (ENS) Lyon in Fankreich hat Maiwenn Roudaut ein Promotionsstudium an der Universität Montaigne in Bordeaux absolviert und eine Dissertation zum Thema „Toleranz oder Anerkennung? Von der deutschen Aufklärung zur Frankfurter Schule“ verfasst. Das Buch, das aus dieser Dissertationsarbeit hervorging, hinterfragte die These einer paradigmatischen Kontinuität zwischen der Toleranzauffassung der Aufklärung und den Anerkennungstheorien, die sich in den 2000er Jahren im Gefolge der Frankfurter Schule entwickelten.

Heute arbeitet Maiwenn Roudaut als Maitresse de conférences an der Universität Nantes in Frankreich. Sie forscht am Centre de Recherches Identités, Nations, Interculturalité (CRINI) und ist assoziierte Forscherin am Centre de Recherches en Éducation de Nantes (CREN).

Frankfurter kritische Theorie und Erziehung zur Demokratie

Maiwenn Roudauts aktuelles Forschungsprojekt behandelt die Thematik der Demokratie, und insbesondere der Erziehung zur Demokratie. Der Impuls dazu kam aus der mehrfachen Auseinandersetzung mit den Gedanken des Philosophen Jürgen Habermas. Mit dem Übergang zur Europa-Reflexion hat sich Habermas, der seit den 1990er Jahren vor allem eine normative Theorie der Demokratie entwickelt hatte, immer mehr für das Feld des Sozialen interessiert. Im Bereich der Demokratietheorie kann diese Entwicklung als Überleitung von einer Auffassung der Demokratie als Institutionalisierung politischer Prozeduren zur Konzeptualisierung einer sich in den vorpolitischen Lebensinstanzen der Individuen materialisierenden partizipativen Demokratie verstanden werden. Diese Auffassung der Demokratie, die von Habermas auch als „Lernprozess“ verstanden wird, knüpft an eine zentrale Auffassung der deutschen Nachkriegszeit und zu einem gewissen Grad auch der Kritischen Theorie der remigrierten Frankfurter Schule an. In der deutschen Gesellschaft der Nachkriegszeit entwickelte sich unter Einfluss der amerikanischen Reeducation-Politik die Idee, dass Deutschland im Gegensatz zu den anderen westeuropäischen Ländern kein „organisches Wachstum“ seiner Demokratie erlebe und dass die Verteidigung und Verwirklichung derselben eine voluntaristische Politik der Umerziehung des deutschen Volkes zur Demokratie erfordere. Zu dieser Umerziehung oder zumindest zur Verbreitung der Ideen der Demokratisierung trugen die Sozialphilosophen der Kritischen Theorie unter anderem durch die empirischen Forschungsprojekte bei, die sie in der Zeit der Remigration nach Frankfurt und bis in die 60er Jahre hinein entwickelten. Die Berücksichtigung dieser Studien ist neben der Arbeit an den wichtigsten Monographien der Mitglieder der remigrierten Frankfurter Schule von großer Wichtigkeit, um die Auffassung der Demokratie und der Demokratieerziehung wahrnehmen zu können, welche die Frankfurter Schule in diesen Jahren vertrat. Diese Forschung kann dem Feld der intellektuellen Wirkungsgeschichte der Frankfurter Schule zugeordnet werden, wie sie von Alex Demirovic und Clemens Albrecht eingeleitet wurde. Im Hintergrund des Projekts steht die Frage des Beitrags der Frankfurter Kritischen Theorie zur „intellektuellen Gründung der Bundesrepublik“ (Albrecht et al.).

Publikationen

Monographie

Tolérance et reconnaissance en débat. Des Lumières allemandes à l’Ecole de Francfort, Presses Universitaires de Bordeaux, 2015. 

Herausgeberschaft

J. Dahm, R. Lambertz-Pollan, M. Roudaut, B. Terrisse (Hg.), Machines/ Maschinen.Les machines dans lespace germanique: de l'automate de Kempelen à Kraftwerk, Presses Universitaires de Rennes, 2020.

A.-P. Olivier, M. Roudaut, H.-C. Schmidt am Busch (Hg.), Nouvelles Perspectives pour la reconnaissance. Lectures et enquêtes, ENS Editions, 2019.http://catalogue-editions.ens-lyon.fr/fr/livre/?GCOI=29021100928490

M. Roudaut (Hg.), « Retour sur l’émancipation des juifs en Europe du Nord au 18e siècle », Lumières N°26 (2017).

Beiträge ( peer reviewed)

« Tolérance, sécularisation et pensée postmétaphysique : Habermas et les Lumières », Etudes germaniques Nr. 3 (Juillet-Septembre 2020),  "Tolérance/ Intolérance. Dynamiques historiques et philosophiques dans le spays de langue allemande", S. 425-440.

« Processus d’apprentissage et démocratie chez Jürgen Habermas », in : Céline Chauvigné, Michel Fabre (Hg.), L’Education et les lumières, Editions Raison et passions, 2020, p.70-82.

« Gerechtigkeit oder Anerkennung ? Zur Theorie der Gerechtigkeit in Europa », Revue d’Allemagne et des pays de langue allemande Nr. 50 (2018), S. 45-56.https://doi.org/10.4000/allemagne.635

Veröffentlichte Übersetzungen

(mit Agnès Grivaux und Alain-Patrick Olivier), Hans-Christoph Schmidt am Busch, Qu’attendons-nous du travail? Honneth, Hegel et les fondements de la critique du néolibéralisme [Was wollen wir, wenn wir arbeiten? Honneth, Hegel und die Grundlagen der Kritik des Neoliberalismus], Presses de l’Université de Laval, Québec, (im Druck), 70 Seiten.

(mit Alain-Patrick Olivier und Herbert Holl), Karl Marx, « L’Essence de l’argent (selon James Mill) », Elemens d’économie politique. Par J. Mill, traduits par J.T. Parisot », Paris 1823, in : La Mer gelée Revue double, Numéro Or/ Nummer Gold, (2019), S. 94-98.

(mit Alain-Patrick Olivier), Axel Honneth, « La Mémoire collective : une structure complexe des relations de reconnaissance » [« Kollektives Gedächtnis. Zur Struktur eines komplexen Anerkennungsgefüges »], in : Alain-Patrick Olivier, Maiwenn Roudaut, Hans-Christoph Schmidt am Busch (Hg.), Nouvelles Perspectives pour la reconnaissance. Lectures et enquêtes, ENS Editions, (2019), S.245-254.

( mit Alain-Patrick Olivier), Hans-Christoph Schmidt am Busch, La « Reconnaissance » comme principe de la théorie critique, ENS Editions (2015), 335 Seiten.