Victor Frangeul Baron | Doktorand Stipendiat

Kritisches Denken im Plural. Begriffliche Wege der Sozialforschung
Centre Marc Bloch, Friedrichstraße 191, D-10117 Berlin
E-Mail: victor.frangeul  ( at )  cmb.hu-berlin.de Tel: +49(0) 30 / 20 93 70700

Mutterinstitut : ENS Paris/Goethe-Universität Frankfurt am Main | Position : Doktorand Stipendiat | Fachbereich : Philosophie |

Biographie

Victor Frangeul Baron arbeitet an einer Doktorarbeit in Philosophie, die von der Ecole Normale Supérieure in Paris und der Goethe-Universität in Frankfurt am Main in Cotutelle-Vertrag betreut wird. Seine Forschung befasst sich mit der Genealogie des Geschichtsdenkens von Theodor W. Adorno und mit der Art und Weise, wie es die Soziologie des Wissens und den historischen Charakter der Theorie selbst wieder aufnimmt. Als ehemaliger Schüler der Ecole Normale Supérieure in Paris und MA der Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne in Geschichte der Philosophie erhielt er einen dreijährigen Doktorandenvertrag und unterrichtete an der ENS, bevor er nach Berlin zog, um seine Forschung in den Archiven fortzusetzen und sich dem Centre Marc Bloch anzuschließen. Er war außerdem Stipendiat der DFH, des DAAD und ist jetzt Stipendiat des Berliner Parlaments.

Forschungsthema

Die negative Deutung der Geschichte. Natur, Vergessen, Eingedenken bei Adorno

(cotutelle)
Titel der Dissertation
Die negative Deutung der Geschichte. Natur, Vergessen, Eingedenken bei Adorno
Institution der Dissertation
Ecole Normale Supérieure de Paris / Goethe-Universität Frankfurt am Main
Betreuer
Prof. Dr. Marc Crépon / Prof. Dr. Martin Saar

Die negative Deutung der Geschichte: Natur, Vergessen und Eingedenken bei Th. W. Adorno

In meiner Dissertation beabsichtige ich, durch die Verknüpfung von Ideengeschichte und  kritische Theorie der Geschichte die Krise des Begriffs von historischem Bewusstsein zu erhellen. Die Untersuchung des von Adorno entfalteten kritischen Modells entspricht einem doppelten Interesse. Philosophisch findet das Werk eine Aktualität in der Erhellung des Verhältnisses der Individuen zur Geschichte und zur Geschichtsschreibung. Philologisch wird durch die Berücksichtigung der Frühschriften die Diagnose des Scheiterns von Adornos Geschichtsdenken revidiert, welche von Habermas auf der getrennten Lektüre der Dialektik der Aufklärung  aufgestellt wurde.

Meine Arbeit setzt sich Zweifaches zum Ziel. Negativ wird die Annahme eines prinzipiellen Pessimismus bei Adorno überarbeitet; es wird gezeigt, dass seine Kritik nur auf Grund einer erhöhten Rücksichtnahme auf die psycho-sozialen Wirklichkeit geschichtslos und ausweglos erscheint. Positiv öffnet die Analyse von Adornos Kritik am Fortschrittsglauben, fern von jeglicher historischen Perspektivenlosigkeit, das Vertrauen in der Machbarkeit der Geschichte wieder. 

Meine Hypothese gliedert sich in den folgenden Momenten:  1. Das Philosophem einer „Naturgeschichte“, das in „Idee einer Naturgeschichte“ 1932 eingeführt wurde, ermöglicht die vorherrschende Rezeption der Dialektik der Aufklärung (1947) zu revidieren, welche darin das Scheitern einer Kritik der Geschichte sieht. 2. Mit diesem von Benjamin (und in geringerem Maße von Lukács) entnommenen Philosophem werden in der Dialektik der Aufklärung die idealistischen Überbleibsel des Marxismus korrigiert, da die Naturalisierung der Geschichte heuristisch betrachtet wird. 3. Auf den Pessimismus-Vorwurf wird mit dem Hinweis geantwortet, dass Adorno in der falschen Behauptung eines Endes der Geschichte ein Wahrheitsmoment ausmacht. Dieses Moment verweist auf die Verselbständigung der Gesellschaft den Subjekten gegenüber, die von einer wirklich geäußerten Freiheit enteignet werden, somit zu deren Objekten werden. Erst wenn das Pessimismus-Urteil durch die Analyse der Dialektik der Aufklärung (von den Frühschriften aus) revidiert wird, werde ich zeigen, wie Adorno eine kohärente Theorie der Geschichte aufbaut, wo Menschen nicht Objekte, sondern Subjekte wären. 4. Die Begriffe von Natur, Vergessen und Eingedenken sind die kritischen Mittel, wodurch Adorno die Machbarkeit der Geschichte wiederherstellt. 5. Diese hängt von einem Eingedenken des in der Geschichte sedimentierten Leidens ab, bezieht ihr Modell aus der Interpretation, sucht im Text der Besiegten die Spuren einer möglichen anderen Zukunft. 

Publikationen

- [vorausgesehen Nov. 2024]  « Sens et violence du sacrifice chez Th. W. Adorno et René Girard », in der dt.-frz. Zeitschrift Trajectoires

-Mit dem Übersetzungsgruppe des Centre Marc Bloch: französische Übersetzung von  Adornos „Über Tradition“ in DAVID, Christophe, PERRIER, Florent (Hrsg.) Où en  sommes-nous avec la théorie esthétique d'Adorno ? (DAVID, Christophe ; PERRIER, Florent),  Rennes, Pontcerq, 2018, S.427-440.