Erfahrungen der Globalisierung

Wissenschaftliche Leitung: Petra Beck, Emmanuel Droit und Markus Messling

Zu den sozialen Dynamiken der Globalisierung gehören nicht nur Prozesse fortschreitender ökonomischer, politischer und kultureller Integration. Sie sind auch durch eine wachsende Konvergenz spezifischer Vorstellungs- und Erwartungshorizonte und durch die Emergenz von Subjekten bestimmt, die sich selbst im Horizont einer Welt erleben. Globalisierung bedeutet also mehr als die Entstehung globaler Medien- und Verkehrsinfrastrukturen, transnationaler Konzerne oder internationaler Organisationen. Globalisierung bedeutet auch weltweite Verbreitung von Ideen, Vorstellungen und Standards, die zur Referenz für das alltägliche Handeln von Akteuren in lokalen Kontexten werden. Ein prominentes Beispiel hierfür sind etwa die Formalisierung und Institutionalisierung von Menschenrechten, die zwar nicht überall eingehalten, aber doch überall potentiell folgenreich angerufen werden können.

In den Geistes- und Sozialwissenschaften werden diese Entwicklungen bislang insbesondere makroperspektivisch in den Blick genommen: Im Zentrum steht die Rekonstruktion der Entwicklung weltumspannender Netzwerke von Zeichen- und Kapitalströmen. Das Interesse gilt Fragen der politischen Durchsetzungsfähigkeit globaler Normen bei einer dezentralen Offenheit der symbolischen Ordnung. Die Frage, wie sich Globalität in konkreten Alltagskontexten und kulturellen Praktiken artikuliert, wurde deutlich weniger und nur in ausgewählten Forschungskontexten (insbesondere der Sozialanthropologie und der Frühneuzeitgeschichte) diskutiert. Eine solche mikroperspektivische Untersuchung von Globalisierungsphänomenen, die insbesondere auf deren Wahrnehmung, Erfahrung und narrative Strukturierung abhebt, verspricht interessante empirische Einsichten.

Doch wirft sie auch theoretische und methodische Frage auf: Wie kann man etwa das Globale theoretisch fassen und empirisch untersuchen, wenn man den Begriff von weltumspannenden Informations- und Warenflüssen oder von mondial agierenden Organisationen ablöst? Wie ist das Globale zu beschreiben, wenn man sich stattdessen für Globalisierung als konkrete Erfahrung in lokalen Kontexten interessiert, die Globalisierungsprozesse spezifisch integrieren und dabei neue soziale und kulturelle Ordnungen generieren? In welchen Begriffen kann die zu vermutende Heterogenität „globaler Kontexte“ rekonstruiert und vergleichend untersucht werden, ohne auf zu Recht kritisierte eurozentrisch-teleologische Perspektiven wie universalistische Modernisierungs- oder Zivilisationstheorien zurückzugreifen?

Die Forschungsgruppe geht diesen Fragen im interdisziplinären Dialog nach und macht dabei die detaillierte Auseinandersetzung mit konkreten empirischen Kontexten zum Ausgangspunkt ihrer theoretisch-methodologischen Diskussionen.

Hier finden Sie das Programm für das Sommersemester 2017.